Dienstag, 15. Februar 2022

Soccer-Chef Roberto: Werden jedes zweite Team nicht wiedersehen

Daumen hoch für Soccer-Chef Roberto. Er ist seit mehr als 25 Jahren eine Koryphäe im
lokalen Hobbyfußball. Im Interview mit Toss wagt er eine Prognose, wie sich die zweijährige
Corona-Pandemie und die damit verbundene Sportpause auf den Freizeitfußball auswirken.

Heute vor exakt zwei Jahren waren die Gallier das bisher letzte Mal am Ball: Bei der Soccer-Trophäe am 15. Februar 2020 holten sie den 4. Platz. Den damaligen Wettkampf richtete wie üblich Soccer-Chef Roberto aus, der seit mehr als einem Vierteljahrhundert eine Koryphäe in der lokalen Hobbyfußballszene ist. 

Im Gespräch mit Toss spricht er über seine Erinnerungen an dieses Turnier und die skurrile Geschichte mit dem ominösen Geldspender, aber auch darüber, wie die Gendorfer Soccer die beiden Pandemie-Jahre erlebt haben. Und Roberto wagt eine Prognose, wie sich die coronabedingte lange Sportpause auf den Vereinsfußball und Freizeitsport auswirken wird.

Der letzte gallische Wettkampf war deine Soccer-Trophäe vor genau zwei Jahren. Welche Erinnerungen hast du an das Turnier?

Roberto: Es war ein schönes Turnier mit KFF Mettenheim, Jugoslavia, Euch und anderen Teams. Und es gab diese Geschichte mit dem ominösen Spender, der Euch die Getränke spendiert hat. Insgesamt war der Tag ziemlich cool: Es gab tolle Spiele, wir als Gendorfer Soccer hatten uns als Mannschaft das erste Mal ein bisschen gefunden. Dann das Zusammensitzen und Feiern nach dem Turnier, das geht einem schon ab. Bei der Soccer-Trophäe hatten wir auch immer die richtigen Mannschaften dafür. Eine schöne Erinnerung. Wer weiß, ob die Soccer-Trophäe nochmal stattfinden kann - wir werden aber alles daran setzen.

Damals war ja nicht abzusehen, dass es das letzte Turnier für lange Zeit sein wird. Wie haben du und die Gendorfer Soccer die beiden Pandemie-Jahre erlebt? Habt Ihr trainiert oder Euch anderweitig getroffen?

Roberto: Trainiert haben wir schon, so zwei oder drei Mal. In Unterneukirchen und auch in Töging, dort zusammen mit den Allstars, das war ganz lustig. Es ist schade, wir hätten zwei, drei neue Spieler für unsere Mannschaft gehabt, aber dann ging ja nichts mehr zusammen. Wir hatten uns vorbereitet und darauf gehofft, dass es weiter geht und haben uns neue Trikots gekauft. Jetzt freuen wir uns darauf, sie endlich mal einzuweihen. Aber das kann ja noch dauern. Sonst getroffen haben wir uns nicht. Wir wollten letztes Jahr zwar ein kleines Sommerfest machen, aber dann waren mehrere Spieler krank und wir ließen es sein. Man muss halt sagen: Corona hat uns in der Hand.

Was noch dazu kam: Meine Frau und ich sind ja systemrelevant, ich bei der Post und sie im Kindergarten. Wir haben beruflich mit so vielen Menschen zu tun, deswegen haben wir extrem darauf geachtet, uns nicht anzustecken und die Corona-Krise unbeschadet zu überstehen. Das ist uns bislang geglückt, war aber nicht leicht. Daher habe ich auch nicht daran gedacht, eine Veranstaltung zu organisieren, das war zweitrangig.

Noch immer ist nicht abzusehen, wann die Pandemie endet und wann wieder die sportliche Normalität zurückkommt mit regelmäßigen Spielen und Turnieren. Was glaubst du: Wie wird sich die Pandemie mit der langen Wettkampfpause auf die lokale Hobbyfußballszene auswirken?

Roberto: Die Auswirkungen werden alle spüren, nicht nur der Hobbyfußball, sondern auch der Vereinssport und generell der Freizeitsport. Es wird sich in vielen Bereichen vieles verändern. Ein Beispiel: Für die Soccer-Trophäe haben wir immer die Halle am Hallenbad beim Landratsamt angemietet. Werden wir sie auch künftig bekommen? Ich glaube: Corona werden wir nicht mehr los, wir werden lernen müssen, mit dem Virus, den Impfungen und der Infektionsgefahr zu leben. Aber das Landratsamt muss ja die Gefahr der Ansteckung so gering wie möglich halten für alle Vereinssportler und Schüler, die diese Halle normalerweise nutzen und die Vorrecht haben. Daher wird die Frage sein, ob wir als Hobbymannschaft überhaupt nochmals die Chance bekommen, die Halle anzumieten. Ich bin da ehrlich gesagt skeptisch.

Auf die lokale Hobbyfußballszene werden große Probleme zukommen. Viele Mannschaften wird es nach dem Ganzen nicht mehr geben. Nicht nur aus sportlichen Gründen. Wir von den Gendorfer Soccer finanzieren uns über die Turniere, die wir ausrichten. Wenn es die nicht mehr gibt, wird es schwierig. Insgesamt rechne ich damit, dass wir sechs oder sieben der zwölf Mannschaften, die bei unseren Turnieren immer mitgespielt haben, nicht mehr sehen werden.

Auch der Amateursport im Allgemeinen wird unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden. Man muss ja davon ausgehen, dass viele Menschen dann keinen Bock mehr auf Sport haben werden. Und wenn der Vereinssport stirbt, gibt es auch weniger Leute, die Freizeitsport machen wollen. Da sehe ich das Hauptproblem, da habe ich die größte Angst. Wenn Eltern nicht mehr zum Sport gehen, ziehen sie nicht mehr ihre Kinder mit - somit bricht dir unten ein riesiges Fundament weg. Oder wenn jemand im Verein Tennis spielt, spielt er nebenher vielleicht Hobbyfußball. Aber wenn dieser jemand schon nicht mehr zum Tennis geht, wird er wahrscheinlich auch keinen Hobbyfußball mehr spielen. Aber diese Leute brauchst du.

Einer ungewissen Zukunft blicken also viele Teams entgegen. Unbestritten ist: Je länger die Sportpause dauert, desto schwieriger wird es, wieder reinzukommen. Das gilt auch für Gauloises, schließlich gehen viele Spieler schon auf die 50 zu. Wie siehst du die Lage in deinem Team?

Roberto: Bei uns im Team ist es ja so: Der Einzige, der auf die 50 zugeht, bin ich - der Rest ist noch relativ jung. Im Mannschaftssport gibt es aber ein grundsätzliches Problem und das schon seit Jahren: Es gibt immer mehr Leute, die keinen Bock haben, sich richtig einzubringen und mehr als das Übliche zu investieren. Daher sind nicht die alten Spieler schuld, wenn sie keine Lust mehr aufs Kicken haben, dass Mannschaften zugrunde gehen.

Früher war das anders: Die gute Entwicklung, die wir genommen haben, als wir damals die Gendorfer Soccer gegründet haben, lag daran, weil jeder mitgezogen hat. Heute hast du in den Teams zwei, drei Leute, die ziehen, und die anderen gehen mit. Und bei denen, die mitlaufen, ist es meist so: Ihnen ist relativ egal, ob ein Turnier stattfindet oder nicht. Wenn ein Turnier ansteht, sind sie da und spielen – und wenn es kein Turnier gibt, dann sind sie nicht da und warten, bis sie wieder gerufen werden. Aber dass sie selbst aus sich herausgehen und etwas anstoßen, das gibt es nicht mehr in der heutigen Zeit.

Das war damals eine andere Generation. Wenn man sich Eure früheren Videos anschaut, etwa vom ersten Spiel, und mal darauf achtet, wie viele Menschen da am Spielfeldrand stehen und wie die dabei waren, und das mit heute vergleicht, dann wird klar: Die sind weg, die sind weggebrochen. In der heutigen Zeit haben die Leute keine Lust mehr, sich hinzustellen und nicht unbedingt mitzuspielen, aber dabei zu sein. Wenn ich daran denke, wie das bei Euch früher war: Euer Präsident war vor Ort - er hält ja selbst jetzt in Brasilien Eure Fahne hoch - oder Alexandra, die Eure Videos gemacht hat. Oder der noble Spender – so etwas macht den Hobbyfußball aus. Aber das geht immer mehr kaputt. Und das hat nichts mit dem Alter zu tun. 

"Auf den Zusammenhalt kommt es schließlich an"

Roberto stand auch für die
Gallier auf dem Feld. Seine
Bilanz: 16 Spiele, 1 Tor.
Mich als Oldie reizt es immer noch, aber ich werde ja jetzt durch Corona ausgebremst und habe auch im Team nicht mehr die Mitspieler, die ich dafür bräuchte. In unserer Anfangszeit mit den Soccer sind wir jedes Wochenende auf irgendeinem Turnier gewesen. Selbst diejenigen, die verletzt waren, sind als Zuschauer mitgefahren. Das ist heute nicht mehr denkbar. 

Man kann die Leute nicht mehr zu dem Ganzen bringen, so wie es mal war. Zu diesem Dauerhaften, nach dem Motto: Ich habe die Soccer im Herzen. Oder ich habe Gauloises im Herzen. Wenn man mal darüber nachdenkt, wie viele gute Hobbyteams auf der Strecke geblieben sind, weil sie das eben nicht hatten, was wir haben: Brucker Wirt, Puckjäger und wie sie heißen. Die hatten nur das eine Ziel, zusammen zu kicken, und deswegen gibt es sie jetzt nicht mehr. 

Es gibt aber auch andere Beispiele: der Buamer Stammtisch Lipp. Extra für ihr Turnier haben wir Gendorfer Soccer uns überhaupt gegründet. Die sind mittlerweile steinalt, aber sitzen immer noch regelmäßig zusammen und gehen gemeinsam in die Halle, um Badminton zu spielen. Und das ist geil! Die haben den Zusammenhalt noch. Und darauf kommt es schließlich an.

Bei Gauloises wird die Gemeinschaft eigentlich hochgehalten, aber wegen der Pandemie gab es in den vergangenen zwei Jahren nur ein einziges Treffen. Uns verbindet die Liebe zum Fußball und auch der gute Zusammenhalt. Sollte Fußball für viele Gallier nach der Corona-Krise nicht mehr infrage kommen, würde uns das vor neue Herausforderungen stellen. Dann müssen wir den Teamspirit in andere Bereich übertragen. Werden sich Gauloises und die Soccer künftig also beim Kegeln, Pokern oder Darten messen statt auf dem Fußballplatz?

Roberto: Ja, kann schon sein, dass wir nicht mehr so oft gegeneinander Fußball spielen werden. Man muss sehen: die Arbeitswelt hat sich auch verändert. Früher war es den Unternehmen wichtig, dass die Mitarbeiter hin und wieder Sport treiben. Wenn ich heute in der Arbeit ankündige, dass ich am Wochenende ein Fußballspiel habe, dann schlägt mein Chef die Hände über den Kopf zusammen, weil er sich Sorgen macht, dass ich mich verletzen und dann im Job fehlen könnte. 

Dann vielleicht doch häufiger pokern oder kegeln. Ich habe kein Problem damit, gegen Euch im Kegeln zu verlieren. Weil Kegeln kann ich gar nicht – wobei: Böse Zungen behaupten, ich könne auch nicht Fußball spielen, von daher gleicht es sich wieder aus. Vielleicht spielen wir nur noch einmal im Jahr Fußball gegeneinander, und gehen dafür eher zum Karten spielen oder Kegeln. Das tut dem Spaß ja keinen Abbruch. Ich freue mich auf jedes Spiel gegen Euch. 

Ich bin mir aber sicher: Wir werden schon mal wieder gegeneinander Fußball spielen. Ihr habt ja auch viele junge Spieler, da müsst Ihr nicht auf Understatement machen. Ihr seid schon eine verdammt gute Truppe, ich ziehe den Hut vor Euch. Man muss die Jungs halt irgendwie bei der Stange halten. Ich wünsche den Galliern, dass sie nicht den Mut verlieren. Irgendwann wird es wieder bergauf gehen. Und wenn wir bei den Soccer über die Zukunft reden, dann merke ich: Alle freuen sich schon wahnsinnig darauf, mit Euch mal wieder im sportlichen Sinne die Klingen kreuzen zu können. Wir hoffen, dieses Jahr unser Sommerturnier ausrichten zu können, wenn auch im kleineren Rahmen - und dass wir uns alle dann dort wiedersehen.

Eine schöne Vorstellung. Aber nochmal zurück zur Soccer-Trophäe 2020. Du hast es ja angesprochen: Das Turnier war für die Gallier auch deswegen etwas Besonderes, weil es einen anonymen Gönner gab, der Getränke für sie spendete. Jetzt nach zwei Jahren kannst du es ja verraten: Wer steckte damals dahinter?

Roberto: Ich bitte um Verständnis, dass ich das nicht verraten kann. Ich würde ja mein Gesicht verlieren, weil ich dem Spender versprochen habe, es nicht preiszugeben. Das war ihm wichtig. Solange es von ihm kein Okay gibt, werde ich es nicht sagen. Es ist auf jeden Fall eine super witzige Geschichte. Und sollte ich mal ein Buch rausbringen, wird das darin ein Thema sein. Es ist ja äußerst unüblich, dass jemand einer Mannschaft im Grunde Geld schenkt, aber nicht will, dass herauskommt, wer dahinter steckt. Ich organisiere ja schon seit Jahrzehnten Turniere, aber so etwas habe ich davor noch nie erlebt.

Dienstag, 1. Februar 2022

Gauloises steht vor einer ungewissen Zukunft

Noch immer ist nicht absehbar, wann die Coronavirus-Pandemie zu Ende geht und die Freizeitfußballmannschaft Gauloises Emmerting ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen kann – sehr wahrscheinlich wird eine Rückkehr in die sportliche Normalität auch 2022 nicht möglich sein.

Jetzt, im Februar, ist es genau zwei Jahre her, dass die Gallier das letzte Mal im Einsatz waren: Bei der Soccer-Trophäe 2020 holten sie den 4. Platz. Seither ruht der Ball, es herrscht eine Zwangspause als Folge der Corona-Pandemie. 

Und das birgt eine Gefahr für jedwede Sportmannschaft: Je länger die spielfreie Zeit andauert, desto schwieriger wird es im Anschluss, wieder reinzukommen. Das gilt erst recht für eine alternde Truppe wie Gauloises, in der die große Mehrheit ihren 40. Geburtstag schon längst gefeiert hat und viele Spieler nun schon auf die 50 zusteuern.

„Wenn die Corona-Pandemie vorbei ist, wird die große Frage sein, wie viele Gallier dann noch Lust haben, wieder regelmäßig zu spielen“, überlegt Kapitän Jens. „Mehrere Jahre raus zu sein aus dem Kicken und dem regelmäßigen Sport birgt natürlich auch Verletzungsgefahren.“

Dass von Null auf hundert in unserem Alter nicht mehr geht und man nicht von der Couch einfach auf den Fußballplatz wechseln kann ohne entsprechende Vorbereitung, darauf wies Doc Scheiz schon im vergangenen Jahr hin. In diesem Beitrag gab der Reischacher Hausarzt zehn Tipps, wie sich die Freizeitkicker nach der langen coronabedingten Sportpause wieder fit machen können.

Wer kann, wer will noch kicken?

Doch nicht nur das zunehmende Alter und die körperliche Verfassung, die durch die spielfreie Zeit bei einigen wohl gelitten hat, dürften für Gauloises den Wiedereinstieg in den regelmäßigen Spielbetrieb schwieriger machen. Es muss ja auch damit gerechnet werden, dass es den einen oder anderen gibt, der sich dann nicht mehr aufraffen kann, die Fußballschuhe regelmäßig zu schnüren.

„Nach der langen Pause könnte es ja einigen Galliern schwer fallen, die Schattenseiten des Fußballs wieder zu akzeptieren“, weiß Jens. „Vielleicht sind einige nicht mehr bereit, die Verletzungsrisiken auf sich zu nehmen oder die Schmerzen in Muskulatur und Gelenken hinzunehmen, die altersbedingt nach dem Kicken auftreten und für ein paar Tage anhalten können.“

Deshalb plant der gallische Mannschaftsführer in den Dialog mit jedem Spieler zu treten, sobald die Corona-Pandemie zu Ende ist und es wieder grünes Licht für den Mannschaftssport gibt: „Wir müssen ja wissen, auf wen wir dann wie stark setzen können.“

Ungewisse Zukunft im doppelten Sinn

Gauloises steht somit vor einer ungewissen Zukunft – und das im doppelten Sinn: Zum einen ist ja noch nicht absehbar, wann der Zeitpunkt sein wird, an dem eine Rückkehr in die sportliche Normalität wieder möglich wird. Zum anderen wird sich dann erst herauskristallisieren können, wie die gallische Zukunft aussieht, wenn bekannt ist, wie viele Teamkameraden weiter am Ball bleiben wollen.